Dr. Cordula Geßner und Rebekka Geßner, Violine
Das Tapley Duo wurde im Jahr 2016 gegründet. Es entlehnt seinen Namen von Charles Dickens`Romanfigur Mark Tapley aus dem Roman Martin Chuzzlewit. “There’s no credit in being jolly" in staying at a comfortable place - lautet Tapleys und zuweilen auch unser Motto.
Kammermusik von Giovanni Battista Viotti (1755-1824)
Giovanni Battista Viotti
"Wenn die Leute eine Ahnung hätten, dass sie von uns tropfenweise dasselbe kriegen, was sie dort [bei Mozart und Viotti] nach Herzenslust trinken können!" Johannes Brahms
"I have seen Paganini, who has never ceased to ask me in every way about the first and greatest of violinist-composers [Viotti]." Ferdinand Hérold
Viottis Lebensgeschichte beginnt wie ein Märchen: Als Sohn eines Schmieds wird er 1755 in Fontanetto, einer kleinen Ortschaft in der Po Ebene geboren. Er ist das sechste von neunzehn Kindern, von denen nur sieben bis in das Erwachsenenalter hinein überleben. Die Mutter stirbt im Kindbett, da ist Giovanni gerade einmal acht Jahre alt. Der Vater liebt die Musik und obwohl er selber Amateur Hornist mit wenigen Kenntnissen auf der Geige ist, unterrichtet er den Sohn. Ein Reisender Lautenspieler gibt ihm weitere zwei Jahre Unterricht, anhand einer damals populären Schule erlernt das Wunderkind wie es scheint weitgehend eigenständig neben dem Geigenspiel, Kontrapunkt- und Kompositionstechnik. Als er elfjährig anlässlich eines kirchlichen Feiertages in einem kleinen Orchester mitspielt, wird er von dem Bischof von Ivrea entdeckt. Dieser schenkt ihm so heißt es ein hübsches Reliquiar und sendet ihn, stehenden Fußes noch am gleichen Tage nach Turin zu der Marchesa di Voghera und ihrem achtzehn jährigen Sohn mit dem wunderschönen Namen Prince Dal Pozzo della Cisterna. Die Marchesa sucht nämlich für diesen jungen Prinzen einen musikalischen Gesellschafter. Vielleicht äußert sich der Turiner Prinz zunächst etwas despektierlich über den Jungen vom Lande, wie er da in seiner einfachen Reisekleidung vor ihm steht. Der Geigenlehrer des Prinzen jedoch prüft Viotti und legt ihm immer schwierigere Stücke vor, die dieser offensichtlich bravourös meistert, als der Kleine sagt, er sei noch nie in der Oper gewesen, nimmt der Lehrer ihn mit und Viotti spielt vom Blatt zum größten Erstaunen der Mitglieder des Opernorchesters. Am Abend von dem Prinzen befragt, was denn in der Oper gegeben worden sei, greift der junge Viotti zur Violine und intoniert die Ouvertüre aus dem Gedächtnis und macht dabei noch eine gute Figur - von angenehmnem Äußeren beschreiben ihn die Zeitgenossen, zudem blond und blauäugig, nicht ganz ungewöhnlich für einen Piemonteser. Sein Glück also scheint gemacht.
Der Erwachsene Viotti durchlebt turbulente Zeiten, die ihn zu einem außergewöhnlichen Europäer machen. Konzertreisen mit seinem späteren Lehrer und Geigenvirtuosen Pugnani bringen ihn über Stationen wie Genf, Bern, Wien, Dresden, Berlin und Warschau bis nach St. Petersburg. Danach lebt er in Paris, zeitweise im Dienst von Marie Antoinette. Die Wirren der französischen Revolution treiben ihn nach London. Inzwischen gilt er als der größte Geiger aller Zeiten, seine Violinkonzerte und Kammermusiken stehen auf den Programmen der großen Konzertsäle in Paris und London neben Namen wie Haydn, Mozart und später Beethoven. Er wird zum Mitbegründer der Royal Philharmonic Society und ein Freund des Earl of Cambridge. Moderner Technik gegenüber zeigt er sich sehr aufgeschlossen, gehört zu den ersten Nutzern des Metronoms und ist interessiert an der Entwicklung des modernen Violinbogens. Eine sehr tiefe Freundschaft verbindet ihn mit der wohlhabenden und musikbegeisterten Familie von William und Margaret Chinnery. Doch dann werden Intrigen um ihn gesponnen, ein einflussreicher, neidischer Rivale zieht die Fäden und Viotti wird als angeblicher Agent des revolutionären Frankreich des Landes verwiesen. Recht einsam lebt er nun auf dem Landgut eines wohlhabenden englischen Kaufmanns bei Hamburg. Um 1800 kehrt er inkognito nach England zurück, wohnt wieder bei den Chinnerys, unterrichtet deren Kinder. Er lebt zurückgezogen vom offiziellen Musikleben, konzertiert zu privaten Anlässen und wird schließlich britischer Staatsbürger und Teilhaber eines Weinhandels. Auf Anfrage des Geigers Louis Spohr, ob er ihn unterrichten könne, lehnt Viotti ab, er habe sich ganz dem Geschäft verschrieben. Dies aber misslingt und der Bankrott bringt ihm gewaltige Schulden ein, unter deren Druck er schwer leidet.
Zudem fällt sein Freund William Chinnery wegen Veruntreuung einer großen Summe in Ungnade. Nunmehr leben Viotti und Margaret Chinnery zusammen. Ihr Hab und Gut, eine wertvolle Bibliothek, kostbare Möbel und Musikinstrumente kommen zur Zwangsversteigerung. Viotti unterstützt Margaret, wo er nur kann, es gelingt ihm sogar, einiges zurück zu erwerben. Beide gehen nach Paris, er wird Direktor der Grand Opera de Paris und hofft - leider aber vergeblich - seinen Schuldenberg abzubezahlen. Beide kehren nach London zurück, bald darauf stirbt Viotti im Jahre 1824 – wie so viele Musiker vor und nach ihm verarmt und verschuldet. Traurig liest sich sein Testament, in dem er beklagt, seine Schulden wohl nicht mehr begleichen zu können und anbietet, seine Stradivari, die heute unter seinem Namen bekannt (Viotti; ex-Bruce Stradivarius 1709) und seit 2005 im Besitz der Royal Academy of Music ist, nach seinem Tode zu veräußern, sie werde wohl eine gute Summe einbringen: „ I wish also, that nothing be put aside for my burial: a little earth will suffice for a miserable creature like me." Bestattet wurde er in "Vault no.6 under Paddington Street", heute Paddington Street Gardens - der Friedhof existiert nicht mehr.
Er hinterlässt uns 29 Violinkonzerte, 70 Violinsonaten, zahlreiche kammermusikalische Werke und den berühmt gewordenen Ausspruch: Die Geige, das ist der Bogen. Heute gilt er als Vater der modernen Violintechnik.
Was für eine Biographie – bester Stoff für einen großen Roman – und was für eine Musik – voller Energie, Lebensfreude und Humor.
In letzter Zeit sind einige Bestrebungen erkennbar, Viotti seinen wohlverdienten Platz in der Musikgeschichte zurückzuerobern. Sehr lesenswert ist die ausführliche 2009 bei Oxford University Press erschienene Biographie "Amico-The Life of Giovanni Battista Viotti" geschrieben von dem Geiger Warwick Lister (Lenox-Quartett). Der Titel Amico spielt auf den Namen an, den die Chinnerys Viotti gaben und den etliche seiner Freunde benutzten. Dem italienischen Geiger Franco Mezzena ist es zu verdanken, dass inzwischen Gesammteinspielungen der Violinkonzerte Viottis und seiner Kammermusikalischen Werke vorliegen.
Schließlich, wie Warwick Lister in seiner Biographie schreibt: "One thing is certain. If Viotti´s music is to endure forever, it must be played."
We do our very best - lassen wir Viotti nun aber endlich selbst zu Wort kommen, mit seinen Duos op.29.
Quelle: Warwick Lister: Amico, The Life of Giovanni Battista Viotti, Oxford University Press, 2009
Die Rechte an den Bildern des Tapley-Duos liegen ausschließlich bei Dr. Cordula Geßner
Letzte Änderung: 02.01.2022, Cordula Geßner